Mutter Erde hat sich ziemlich verändert. In „Madame Fafü“ von Astrid Walenta und Julia Dürr schreibt sie sich jetzt fast französisch, trägt Hosen und eine lustige Kappe. Statt den Blumenkindern beim Nähen zu helfen, oder Käferjungen zu bemalen, sprüht sie sich immer wieder selbst mit „Insektenspray“ ein und wird ein Krabbeltierchen. Zum Beispiel eins, das Kinder heute oft kaum noch kennen – ein Grashüpfer oder gar ein Glühwürmchen. Sie „liebt Insekten“, diese seltenen Tiere, für die es noch keinen Zoo gibt. Ungehört ist anscheinend der Song „The Big Yellow Taxi“ von Joni Mitchell von 1970 verhallt: „They paved paradise, and put up a parking lot“.

Julia Dürr hat sie ganz fein und liebevoll hingestrichelt, die Ohrenkneifer, die Motten und Laustierchen. Die Ameisen und Bäume, Blätter und Mohnblumen. Sehr modern, weil reduziert wie aktuelles Design, und doch auch sehr nah bei den jugendstiligen llustrationen von Sibylle von Olfers. Hier verschwimmen die Grenzen zwischen den Modernen. Ineinander verwoben erscheinen nicht nur Gräser, Stiele, Blüten und Tierchen, auch das Leben und Denken der Künstlerinnen überschreitet entspannt mehr als hundert Jahre. Radikal mag dem heutigen Kind die Idee von „Madame Fafü“ erscheinen, einen Marienkäfer samt Gras und Läusen unter einer Glasglocke zu halten – aber der Kunst muss ja jedes Mittel recht sein. Und außerdem wird der Käfer ja durch Magie befreit. Befreit von strenger Logik, wie die Erzählung selbst, die „Achten fliegt“ und mehrmals wortwörtlich wiederkehrt. Wiederholung und Detailverliebtheit, zwei Geheimnisse gelungener Kinderliteratur – Walenta und Dürr sind ein „dream-team“. Ein schönes, etwas verschnörkeltes kleines Bilderbuch, das viel Raum für eigene Phantasie lässt. In der Ferne hört man leises Singen: „Hey farmer farmer, put away that DDT now./Give me spots on my apples,/but leave me the birds and the bees./Please!“

Ines Bianca-Vogdt